Oliver Preusche
Interviews

Von Heiner Hesse über Bela B., von Taiye Selasi, Roger Willemsen, Nora Bossong, Ljudmila Ulitzkaja, Olga Grjasnowa, Orlando Figes, Henning Mankell zu Elisabeth George und Anna Gavalda. Von Phillip Blom zu...Die Liste ist lang und die Neugierde hört nicht auf.
Quelle: FAZ
T. Selasi
Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Inhalt
Die literarische Sensation aus Amerika – ein kosmopolitischer Familienroman:
In Boston, London und Ghana sind sie zu Hause, Olu, Sadie und Taiwo. Sechs Menschen, eine Familie, über Weltstädte und Kontinente zerstreut. In Afrika haben sie ihre Wurzeln und überall auf der Welt ihr Leben. Bis plötzlich der Vater in Afrika stirbt. Nach vielen Jahren sehen sie sich wieder und machen eine überraschende Entdeckung. Und sie finden das verloren geglaubte Glück – den Zusammenhalt der Familie. Endlich verstehen sie, dass die Dinge nicht einfach ohne Grund geschehen. So wurde noch kein Familienroman erzählt. Taiye Selasi ist die neue internationale Stimme – jenseits von Afrika.
Taiye Selasi im Gespräch mit Oliver Preusche
Taiye, Du bist Schriftstellerin und Fotografin. Du kannst also auf zwei Arten Geschichten erzählen, durch Bücher und Bilder. Worin besteht für Dich der Unterschied?
Der Unterschied ist nicht sehr groß. Ich sage oft im Scherz, dass ich nur deshalb Geschichten in Text- und Fotoform erzähle, weil ich nicht malen kann. Die ideale Ausdrucksform für mich wäre das Zeichnen oder Malen. Aber weil immer nur Strichmännchen dabei herauskommen, wenn ich male, muss ich meine visuellen Eindrücke durch Geschichten transportieren, entweder am Laptop oder mit der Kamera. Das größte Kompliment, das man mir machen kann, ist, dass man sich beim Lesen meiner Texte genau vorstellen kann, was ich beschreibe.
Wenn ich Prosa lese – und ganz besonders, wenn ich sie korrigiere -, versuche ich einzuschätzen, inwieweit es gelungen ist, mit den Worten ein Bild zu malen. Beim Fotografieren ist es dasselbe. Der Unterschied ist, dass das Bild schneller wahrgenommen werden kann. Ich sehe den Raum, etwas fällt mir ins Auge. In der Anordnung von Formen entdecke ich einen Sinn, eine Bedeutung, die ich festzuhalten versuche, so dass entweder ich selbst es nochmal erfahren kann oder jemand anders so wie ich. Und genauso schreibe ich Prosa. Mir fällt etwas ins Auge und ich versuche die Komposition zu verstehen, damit jemand anders es genauso wahrnehmen kann.
Hast Du je darüber nachgedacht, warum Du Geschichten erzählen wolltest?
(lacht) Meine Mutter würde sage, weil ich als Kind so viel gelogen habe. Ein Lehrer hat mal gesagt: »Taiye erzählt gerne Geschichten.« Mir war damals nicht klar, dass das ein Euphemismus war. Die nächsten fünf Jahre sagte ich jedem, dass ich eine gute Geschichtenerzählerin bin. Nein, ich denke man wird damit geboren. Der Instinkt Geschichten zu erzählen ist derselbe, der mich dazu bringt, Bilder mit der Kamera festzuhalten. Man sieht etwas Schönes, dem man seine Ehrerbietung erweisen möchte, ob in Text- oder in Bildform.
Dein Vater kommt aus Ghana, Du bist in London geboren, hast in Amerika gelebt, in Oxford studiert und lebst jetzt in New York und Rom. Das ist kein gewöhnliches Leben. Was bedeutet dieser Lebenslauf für Dich als Künstlerin? Hast Du dadurch einen besseren Überblick über das Leben?
Zunächst mal muss ich festhalten, dass ich überhaupt keinen Überblick über das Leben habe. Die Erkenntnisse, die sich mir beim Schreiben ergeben, sind auch für mich neu. Aber was mir schon immer klar war – und es war verwirrend, als ich merkte, dass es anderen nicht genauso klar war -, ist, dass es für mich mehr Gleichheit in der Welt gibt als Unterschiede, und zwar schon auf der kleinsten Ebene. Als ich nach Rom kam, fiel mir auf, wie sehr es mich an Ghana erinnerte. Ghana erinnerte mich an Indien, Indien an manche Gegenden von Schweden. Damit will ich sagen, dass man beim Reisen oft auf eine gemeinsame Palette stößt, mit der man die Menschheit malen kann. Die Farben unterscheiden sich nicht wesentlich. Es gibt unendlich viele Schattierungen – Gottseidank, sonst hätten wir nicht viel zu tun. Aber die Grundpalette ist dieselbe. Wenn ich bei meinen Reisen etwas gelernt habe, dann das.
Du bist eine echte Kosmopolitin. Gibt es dennoch Traditionen, die Du lebst?
Ist kosmopolitisch das Gegenteil von traditionsbewusst? Ich denke, dass alle Kosmopoliten ihre Traditionen mitnehmen. Meine Zwillingsschwester und ich sind am 2. November geboren, und weil wir fast nie am selben Ort sind, schreiben wir uns fast jeden Tag um 11:02 Uhr morgens oder abends: »Ich liebe dich«. Das ist eine Tradition, die ich überallhin mitnehme. Meine persönlichen Traditionen sind Yoga, Meditation und Beten. Auch das sind Sachen, die man überall machen kann.
Wie schreibst Du? Ist ein Teil Improvisation, oder ist alles vorausgeplant? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dein Buch komplett geplant war.
(lacht) Es ist komplett improvisiert, ich spiele überhaupt nicht nach Noten. Wie ich schreibe? Ich weiß, wie es geschieht, aber ich weiß nicht, woher es kommt. Einer meiner Lieblings-Songwriter und Dichter, Leonard Cohen, hat mal bei einer Preisverleihung sinngemäß gesagt: »Wenn ich wüsste, wo es herkommt, wäre ich häufiger da.« Wenn mich jemand fragt, wo es herkommt, sage ich: »Sobald ich das herausfinde, zieh ich dahin und schick dir ‘ne Postkarte!« Ich habe keine Ahnung, wo es herkommt. Aber ich weiß, was passiert, wenn es da ist. Es ist fast immer das Gleiche. Ich kann mit dem Schreiben anfangen, wenn ich die Melodie höre. Ich weiß, das klingt seltsam, weil ich ja keine Musik schreibe, aber so geht es immer los, mit einem Rhythmus, fast wie bei einem Song, wie ein Musikstück.
Wenn ich es merke, lasse ich alles stehen und liegen – sogar ein gemeinsames Abendessen -, suche mir einen Ort, wo ich schnell tippen kann und schreibe auf, was ich höre. Das erinnert mich wiederum an einen Komponisten, den ich sehr mag, Philip Glass. Er sagte auf die Frage, wie er Musik schreibe: »Ich schreibe keine Musik. Ich schreibe sie auf.« Mir kommt es genauso vor, Ich schreibe keine Prosa, ich schreibe sie nur auf. Wenn ich versuche Prosa zu schreiben, ist das Ergebnis nie so gut, als wenn ich sie aufschreibe. Deshalb höre ich gut zu und schreibe dann so lange, wie die Schallplatte läuft. Irgendwann beginnt sie zu springen und sich zu wiederholen. Ein wenig strategische Wiederholung ist gut, aber wenn es immer wieder das Gleiche ist, weiß ich, dass dieser Teil des Baums nicht mehr Saft liefern kann. Dann höre ich auf und bin glücklich oder verzweifelt, je nachdem, wie gut die Ernte war. Das gleiche mache ich wieder und wieder, und dann, 336 Seiten später: ein Roman.
Du kontrollierst den Schreibprozess also nicht.
Nein. Ich überlege mir zwar nicht beim Schreiben, wohin sich die Geschichte entwickeln soll. Das weiß ich schon vorher. Wenn mir der Plot einfällt, schreibe ich ihn auf. Ich gehe also nicht vollkommen blind in diesen seltsamen Kompositionsprozess. Aber wie jeder, der einmal zu schreiben versucht hat, erfahren hat, zu wissen, wo man hin will, hilft gar nichts, wenn man nicht weiß, wie man dorthin kommt. Ich weiß nie, wie ich dorthin kommen soll. Ich weiß, dass wir nach Paris wollen, aber wir könnten joggen, fahrradfahren, schwimmen oder den Heißluftballon nehmen. Ich weiß es nicht. Ich reite einfach jede Welle bis zum Ende, und dann suche ich nach dem nächsten Transportmittel.
Kannst Du in wenigen Worten das Wesen, das Herz Deines Romans beschreiben?
Das Herz meines Romans ist die Liebe. Mit allen Dornen, die diese besondere Rose hervorbringt. Im Buch gibt es Menschen, die einander heftig und überwältigend lieben, mit ihrem ganzen Selbst, aber sie schaffen es nicht immer, die den geliebten Menschen zu vermitteln. Oder sie fügen ihnen beim Versuch, diese Liebe zu zeigen, Schmerzen zu. Wenn es ein pochendes Zentrum des Buchs gibt, dann ist es dieses beständige, mutige und edle Bemühen der Figuren, einander zu lieben – komme, was wolle.
Geschieht alles aus einem guten Grund?
Geschieht alles in der Welt aus gutem Grund? Vielleicht. Aber in meinem Roman gibt es nicht für alles einen guten Grund. Ich bin nicht so gut im Erschaffen wie Gott. Aber ich gebe mein Bestes.
(aus dem Englischen von Tobias Schnettler)
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